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Di., 04. Feb. – Fr., 07. Feb. 2020

Um 5:30 Uhr treffen Julian, mein Guide, und ich uns vor dem Hostel. Julian ist deutlich angesäuert, da er den Preis für viel zu niedrig hält. Und er gibt mir die Schuld, dass es so wenig verdient. Ein hübsches Beispiel wie schwache Menschen Verantwortung an andere abdrücken wollen. Ich habe mir den Start auch etwas romantischer vorgestellt, jedoch irgendwie juckt mich das auch nicht. Ist nicht meine Angelegenheit. So lange er mich später nicht mit seiner Machete bedroht und “Nachzahlungen” fordert gilt: no me importa! Jedoch wird uns das Thema 4 Tage begleiten und mir Seiten eines Menschen zeigen, der sich mit allem, was er an dunklen Seiten, Hilflosigkeit und Wut hat, offenbaren wird.

Ich fahre dann mit dem “Chiva”, einem 4×4 Jeep, um ca. 6 Uhr bis Puerto Quinchana. Julian nimmt sein Motorrad. Dort treffen wir uns um halb acht. Die Fahrt ist kühl und sehr holprig. Doch ich habe noch einen der besseren Plätze hinten auf der Pritsche, andere müssen die Fahrt über stehen. Diese Jeeps sind neben den eigenen Beinen, Mopeds oder Pferden, für viele die einzige Möglichkeit, in die abgelegenen Dörfer ihrer Familien zu kommen. Da ist alles dabei, das Schulkind, der Bauer und die reife Dame im feinen Kleid…und die Traveller.

Als ich eintreffe hat Julian das Pferd schon vorbereitet, welches unser Gepäck transportieren wird. Ich selbst trage nur meinen kleinen Rucksack mit dem Notwendigsten. Um 8 Uhr geht es dann endlich los. 6h soll es gehen und ca. 16 km Wegstrecke liegen vor uns. Es geht nur durch den tropischen Regenwald. Teilweise steht tief das Wasser in den Wegen oder der Weg ist überhaupt nicht zu erkennen, da die Pflanzen ihn überwuchert haben. Für mich, der schon viele Wege unter seinen Sohlen hatte, ist das ein völlig neues, ungewohntes Terrain. Wir gehen größtenteils im Schatten. Auf den wenigen Lichtungen finden wir einfache Hütten von Bauern, die hier 1-2 Mal je Monat sind, um ihre Arbeiten zu erledigen. Um 14 Uhr sind wir dann da, bei Mary und Chris und ihrer Hospedaje auf 2.300 müM. Die Dusche mit frischem Bergwasser mobilisiert die Muskeln und so erkunde ich noch ein wenig die Gegend.

Der Rio Magdalena fließt praktisch vor der Haustür vorbei und so gehen wir gegen Abend noch mit dem Netz Forellen fischen. Das Abendessen bei Kerzenschein ist köstlich, reichhaltig und entspricht – bis auf die Forellen – nicht ganz meinem Ernährungsplan. Aber gut, wir machen ja körperlich einiges und so todo bien. Die Nacht wird in einfachen Zimmern und Betten mit zig Decken verbracht. Denn nachts zieht es ordentlich an und wird frisch. Ich habe meinen -4°C Schlafsack am Start und ein Inlet. So wird das eine meiner besten Nächte in Kolumbien, da ich super schlafe. Trotz dem Fakt, dass der Zimmermann wohl für den Bettenbau nur noch 1.80m lange Latten zur Verfügung hatte….

Am nächsten Morgen wollen wir um 6 Uhr los, d.h. kurz vor 5 Uhr aufstehen Denn es stehen ca. 25 km Marsch, 1.700 Höhenmeter und 12 h Gehzeit auf dem Etappenzettel. Heute geht’s zu drei Lagunen: Laguna Magdalena, Laguna Santiago und Laguna Cusiyaco.

Der Marsch ist teilweise sehr beschwerlich, da wir häufig in Bachläufen gehen oder in stark zugewucherten Abschnitten. Da die Pflanzen viel Wasser tragen, ist nach 1h meine Hose auf der Vorderseite einmal komplett durch… Da habe ich zu spät geschaltet, um rechtzeitig meine Regenhose anzuziehen. Nicht, dass ich sie mit mir herumtrage…McFly! Wieder eine neue Seite im Erfahrungs-Album. Irgendwann verändert sich die Vegetation und wir kommen ins Paramo. D.h. die Vegetation wird niedriger und die Wege breiter. Um ca. 11:30 Uhr stehen wir am “Mirador de la Laguna Magdalena”. Und es ist schon etwas ergreifend, am Ursprung des Flusses zu stehen, er so wichtig war und ist für dieses Land. Und den ich auf meiner Reise so häufig an “meiner Seite” hatte. Eines meiner Ziele dieser Reise ist (fast) erreicht. Morgen werden wir bis ganz ans Ufer kommen und den “kleinen” Rio Magdalena bei seiner “Geburt” beobachten können. Unweit vom Mirador befindet sich auch die Laguna Santiago, die wir auch aus der Ferne gut sehen können. Wobei uns der starke WInd die Tränen in die Augen treibt und wir uns einen geschützten Platz für eine Pause suchen-

Wir machen dann erstmal Mittagspause und die beleidigte Leberwurst – mein Guide – ist sehr einsilbig. Nun ja, ich geniesse das Erlebnis und den Reis mit Thunfisch und Bohnen… Außerdem wechsle ich die Schuhe. War ich bisher in Gummistiefeln unterwegs ziehe ich nun wieder meine Bergstiefel an. Was für ein Gefühl!

Von hier geht es nun größtenteils bergab zur nächsten Hospedaje. Nach 2 h sind wir dort und legen unser Gepäck ab und schnaufen mal durch. Dann geht es zur dritten Lagune Cusiyaco. Ca. 1,5h Gehzeit über Weiden hinein in den Bosque Andino steil hinauf auf eine Hochebene und dann liegt sie – eingebettet zwischen Bergen – etwas entfernt vor uns. Wunderschön. Sie hat die Form eines Kaninchen und liegt in einem Tal voller Frailejones.

Mein Guide, die saure Gurke, hat auf einmal seine Stimme wieder gefunden und erzählt einiges über das Tal, die Gegend und die indigene Bevölkerung. Es könnte vieles so einfach sein.

Dann geht’s zurück zur Hospedaje und wir dürfen wieder ein fulminantes Abendessen geniessen welches so viele Kalorien hat, wie ich am ganzen Tag verbrauche. Dabei sitzen wir fein am Kamin und räuchern uns schön ein. Hauptsache es ist etwas warm, denn hier unten in der offenen Ebene ist es deutlich kühler, als letzten Abend. Wie froh bin ich um meinen tollen Schlafsack. Jeder kann sagen was er will, jedoch ist gute Ausrüstung echt ihren Preis wert. -4°C Komforttemperatur bei unter 800 gr. Was ein geiler Sch….

Am nächsten Morgen stehen wir um 6 Uhr frisch oder weniger frisch gebügelt in den Startlöchern. Heute gehen wir an den Rand der Laguna Magdalena und dann weiter zurück zur ersten Hospedaje. 6-7h und wieder 20 km Gehstrecke sind die Tagesdetails. Es geht jedoch nur noch 1,5 h über vogelwilde Pfade bergauf und dann sind wir auf der Hochebene. Von dort gehts es eben oder bergab Richtung Lagune bzw. Hospedaje.

Um ca. halb acht stehen wir ein paar hundert Meter von der Lagune entfernt und machen uns – nach dem ersten Versuch in Bergstiefeln – auf zum zweiten mit Gummistiefeln :-). Wenig später stehen wir am Rand der Lagune und sehen wie ein kleines Bächlein die Geburtsstunde des Rio Grande de la Magdalena einläutet. Genial, da ich den Fluss schon über hunderte Kilometer verfolge und er stromabwärts immer mächtiger und atemberaubend wird.

Der restliche Teil des Trekkings nehmen wir die identischen Wege wie beim Aufstieg vor 2 Tagen. Mein Guide schwankt zwischen gute Laune und Redseligkeit und HB-Männchen. Eine schöne Übung für mich, um Gelassenheit und Souveränität zu üben.

Am Ausgangspunkt angekommen steht 12 Uhr auf der Uhr. Der Jeep nach San Augustin kommt gegen 16 Uhr…spitze! Na ja, ich lasse mich drauf ein, aufs Moped zu steigen und die 45 min nach San Augustin als Sozius zu erleben. Auf dem Rücken ein Rucksack, auf dem Schoss einer und in der rechten Armbeuge ein Eimer mit frischem Käse. Welcome to Colombia!

Es war in allen Belangen ein riesen Abenteuer und spektakuläres Erlebnis…körperlich, visuell und mental! 

Viajar es intentar cambiar!

 

Nacht John Boy