Mo., 6. Jan. – Fr.., 07. Jan. 2020
Am Montag geschieht nicht allzu viel. Ich darf mal wieder packen und mir ein Hostel für nach meiner Rückkehr vom Berg organisieren. Zudem mache ich noch eine kleine Tour auf über 3.000 müM, um die Akklimatisierung noch weiter zu verbessern.
Am 7. Januar geht es dann los. Es heisst um 6 Uhr am Marktplatz zu sein, da ich mit dem “Lechero” auf den Berg fahre. Der “Lechero” ist der Milchlaster, der die Milch der Campesinos einsammelt. D.h. “bitte auf der Pritsche Platz nehmen und festhalten”. Leider fällt mir kurz nach dem Ortsschild auf, dass ich alle Papiere für den Zugang in den Park im Hostel gelassen habe! Mist! Es gibt 2 Möglichkeiten. Den Laster anhalten und zurücklaufen, d.h. auch einen privaten Transport auf die Hacienda organisieren. Oder, weiterfahren und auf der Hacienda neu entscheiden. Option 2 erscheint mir die besser. Die Fahrt ist einmalig und unbezahlbar, da wir so viele Eindrücke erhalten, wie die Leute hier oben ihr tägliches Brot verdienen, wie sie leben und wo sie leben. Sehr klasse.
Oben auf der Hacienda borge ich mir ein Telefon und rufe im Hostel an. Die Verbindung ist mehr als schlecht und trotzdem gelingt es mir einen der Jungs, die ich auch alle kennengelernt hatte, die Sache so zu verklickern, dass er das Schloss an meiner Tasche öffnet und in den vielen Sachen die Papiere für den Park findet. Der nächste Glücksfall ist, dass die Jungs auch zur “Esperanza” wollen, um zu klettern. Also keinen Mehraufwand haben, wenn sie mir die Papiere bringen. Es gibt ja keine Zufälle! 3h später bin ich der glücklichste Mensch auf der Hacienda, ich habe meine Papiere. Und die Jungs sind alle so herzenslieb, wie schön, dass es das noch gibt.
Tiefengelöst mache ich dann auch den Pferdeausritt durch das Páramo mit. Eine tolle und lusstig Sache. Denn im Dorf habe ich drei weitere Deutsche und einen Kolumbianer kennengelernt, die beim Ausritt auch mit von der Partie sind. Mein Pferd “Boratscho” (span. für betrunken) hat so seinen Kopf doch über die Zeit freunden wir uns einigermaßen an und bilden eine Zweckgemeinschaft. 3h im Sattel hinterlassen dann doch seinen Spuren und ich hoffe, dass das morgen nicht zum großen Problem wird.
Und los geht’s zur ersten Tour zur “Laguna Grande de la Sierra”. Pünktlich um 5.30 Uhr steht Carlos vor der Hacienda und holt mich und Christophe, einen Franzosen, der sich noch eingeklinkt hat, ab. Vor uns liegen insg. 22 km Wegstrecke und ca. 2.000 Höhenmeter im Auf- und Abstieg. Vermutlich 8h Gehzeit inkl. Pausen. Wir sind voller Freude auf den Tag und die Erlebnisse, so dass wir zügig vorankommen.
Doch der Mittelteil hat es in sich, feiner Kies bzw. Geröll als Unterlage erschweren den Anstieg zudem. Und die Landschaft ist Bombe. Das Tal der Fraijlejones, eine Pflanze aus der Gruppe der Sonnenblumen, ist ein Genuss für das Auge. Die Hacienda (unser Ausgangspunkt) liegt auf ca. 3.600 müM. Zum Vergleich die Zugspitze ist mit knapp 3.000 müM der höchste Berg Deutschlands, der Großglockner mit knapp 3.800 müM jener in Österreich und die Dufourspitze jene in der Schweiz mit knapp 4.640 müM. Den Mont Blanc mit 4.810 müM werde ich deutlich überlaufen in den kommenden Tagen. Was ein gei… Sch….!
Um 10:20 Uhr, nach ca. 4,5h, sind wir an der Lagune auf ca. 4.600 müM. Da oben geht ein Wind, der sich gewaschen hat. Doch die Szenerie ist toll. Vor uns die Lagune und rechts davon zeigt sich der “Pulpito del Diablo”. Der steht ja an Tag 3 auf meinem Zettel. Eigentlich geht es dann noch weiter zu einem Gletscher. Unser Guide meinte, dass der jedoch nicht sehr schön sei und es sich nicht lohnt. Ich bezweifle, dass diese Aussagen nur in unsere Sinn gemacht wurden. Dann die meisten sind noch weitergelaufen… Egal, es ist und war ein tolles Erlebnis und das Farben- und Formenspiel der Natur dort ist spektakulär. Diese Adjektive werde ich noch öfter benutzen, da es gerade so weiter geht mit den Erlebnissen.
Abends stellt sich heraus, dass Carlos den Transport zur nächsten Hacienda nicht machen kann. Ich habe “Auto” verstanden und 2 Rucksäcke am Start. Er hat “Motorrad” gemeint und das geht mit 2 Rucksäcken nicht. Also schnell ein Auto plus Fahrer, Jorge, organisiert. Peseten auf den Tisch und der Drops ist gelutscht. Ab geht’s auf hässlicher Schotterpiste zu den Cabañas Blancas. Ich muss kein Wort dazu verlieren, dass mich das etwas abgenervt hat mit dem Transport. oder?
Estrella, die Hüttenwirtin dort, ist ein Herz und gibt mir ein Zimmer zur alleinigen Benutzung und es gibt warmes Wasser, juhu. Was braucht man noch? Da das Zimmer direkt über der Gaststube ist, habe ich bis spät Unterhaltung und den Duft von gebratenem Schweinekotelett in der Nase. Auf der Alm…
Am nächsten Morgen, dem 9. Januar, soll es erst um 6 Uhr losgehen, da die Tour zum Ritacuba kürzer ist. Leider hat Carlos’ Moped eine Panne und er ist erst durch Abholung durch den Sohn des Hauses um kurz vor 7 Uhr da. Zudem dürfen wir so noch einen Stunde mehr gehen, da der Eingang zum Park weiter oben liegt, und Carlos eigentlich das Stück mit seinem Moped gefahren wäre… It’s Columbia…
Die Tour mag kürzer sein, jedoch besteht sie fast ausschließlich aus steilen Passagen und irgendwie bin ich heute etwas kurzatmiger, als gestern. Entweder war das letzte Bier schlecht….oder der erste Tag hat seine Spuren hinterlassen. Ich mühe mich jedenfalls sehr und auf einer Anhöhe erkenne ich, dass es nochmal weiter hoch und noch steiler, mit losem Geröll als Untergrund, geht. What a pain… Dann geht’s weiter auf steilem, plattigem Fels bei sehr starlem Gegenwind bis an den Rand des Gletschers. Beides, die Höhe und der Gegenwind, sind echte Schmerzen, doch die Mühen haben sich wieder gelohnt. Gegen zwölf Uhr sind wir am Gletscherrand und haben Sicht auf den Ritcuba Blanco und Ritacuba Negro bei blauem Himmel und Sonnenschein auf 4.933 müM. Genial. Wie häufig ist auch dieses Mal der Weg das Ziel, denn wenn ich oben am Ziel stehe, ist zwar das Erreichte klasse. Doch das war’s dann auch schon und ich kann nach einer Zeit wieder absteigen.
Unten an den Cabañas Blancas trinken wir noch ein Bier und ich warte auf Jorge, mein Fahrer zu den Cabañas Pulpito, der letzten Station meines Trekkings.
Tag 3 ist angebrochen. Nachdem ich eine einigermaßen gute Nacht in dem sehr luftigen Bretterverschlag, was sich Cabaña nennen will, verbracht habe. Vielmehr ist das Aufstehen in einen Raum, der ca. 4-7 Grad hat, etwas unangenehm. Hier lerne ich, mich schnell wieder in die Wanderkluft zu begeben. Es ist 4 Uhr morgens, denn heute ist um 5:30 Uhr Abmarsch. Es gibt wie jeden Morgen Kartoffelsuppe, Kaffee schwarz, Rührei, Pan y Queso. Die Suppe wärmt und gibt Kraft. Pünktlich um 5:30 Ihr steht Luis-Emilio auf der Matte, der Ersatzguide, da Carlos nicht auf den Berg kommt wegen seines Mopeds. Wir fahren mit dem Moped bis zum Eingang des Parks registrieren uns und gehen los. Es heisst der Trek ist der Anspruchsvollste, da es sehr steil nach oben gehen soll… Noch steiler als zuvor?
Zuerst plätschert der Weg so dahin, geht teilweise bergab und lange flach in ein Tal hinein mit vielen Frajlejones. Bis zur Laguna Pintada, die sich mit vielen Farben im Licht spiegelt. Von dort geht es stetig bergauf, teilweise auf losem Untergrund. Doch das steilste Stück kommt noch, es folgt nach dem “Hotelito Pulpito”, einer Raststelle für die Wanderer. Hier geht es mit wechselndem Untergrund, weiter oben nur im Fels nach oben bis zu einer Kante auf ca. 4.400 müM. Von hier aus zwar weniger steil, jedoch gegen sehr starken und eisigen Wind. Den “Pulpito del Diablo” schon lange in Sicht, jedoch nicht näher kommend setzen wir einen Schritt vor den anderen bis wir endlich gegen 10:30 Uhr an der Kante zum Gletscher sind, auf 4.830 müM. Links sehen wir auch den Ritacuba, der am Vortag unser Ziel war. Die Szenerie hier gefällt mir am besten. Links der Ritacuba, in der Mitte der Pulpito del Diablo und rechts der Pan de Azúcar.
Zurück an den Cabañas warte ich wieder auf Jorge, doch es kommt Oscar. Egal, ich komme ins Dorf El Cocuy zurück und bin froh als ich unter der Dusche in meinem Zimmer stehe. Ich bin schon recht platt und gönne mit im Hostel eine Churasco (500g). Irgendwie müssen die Proteine ja wieder rein.
Das Fazit ist: 3 Tage, ca. 66 km Laufstrecke, ca. 6.000m Auf- und Abstieg und ca. 25h Gehzeit. Zahlreiche Liter Wasser, einige Pan y Queso und der Speicher voll mit unbezahlbaren Erlebnissen, Erfahrungen, Erkenntnissen. Danke.
Nacht John Boy.